Auf leisen Sohlen

Seit Tagen schon, fühlt es sich eng an in meiner Brust. Begleitet von der Schwere, die sich ganz plötzlich und ohne Vorwarnung über mich gelegt hat, versuche ich, den Alltag zu meistern. Viele Dinge spielen sich automatisch ab und so gehe ich, ohne viel nachzudenken, wie gewohnt zur Arbeit, verrichte wie jeden Tag ganz gewöhnliche Dinge und versuche das alltägliche Chaos irgendwie zu meistern. So wie immer. Nur scheitere ich dabei gerade wieder einmal kläglich.

Ohne viel Aufsehen kommt einer dieser „besonderen“ Tage immer näher. Dieses Mal ist es der Tag, an dem eigentlich die Geburt gefeiert und ein neues Lebensjahr mit erhobenen Gläsern willkommen geheißen werden sollte. Nur gibt es nichts zu feiern. Nicht mehr. Da ist kein Jahr, über das man sich rückblickend ein wenig lustig machen könnte, keine blühende Zukunft, in die es sich voller Aufregung zu blicken lohnt. Der Tod hat alles in den Schatten gestellt und ein Alter festgelegt. Für immer und ohne zu fragen.

Anstelle mir Gedanken über ein bleibendes Geburtstagsgeschenk zu machen, werde ich Blumen ablegen – eine Idee, auf die ich unter gewöhnlichen Umständen niemals kommen würde – und ihnen in der schwülen Sommerhitze buchstäblich beim Verwelken zusehen. Manchmal habe ich den Eindruck, auf dem Friedhof gehe dieser Prozess noch etwas schneller, als an anderen Orten. Wie immer werde ich mir vornehmen, es im nächsten Jahr anders zu machen, nur um es dann doch nicht zu tun. Die Möglichkeiten sind beschränkt, das weiß ist. So wie meine Trauer es zu sein scheint. Wie ein unsichtbarer Mantel, den keiner sehen kann, hat sie sich um mich gelegt und begleitet mich in meinem Tun. Wie der sanfte Rhythmus einer Wippe scheinen sich Leben und Tod abzuwechseln. Liebe und Schmerz, Routine und Durcheinander, Vergänglichkeit und Unendlichkeit. Und so stecke ich wie so oft in einem Wechselbad der Gefühle, das mich einen Schritt langsamer und auch ein wenig behutsamer gehen lässt.

Dabei werde ich mir die Erlaubnis erteilen, gelegentlich auch einmal innezuhalten und einfach nur zu weinen. Und ich werde mir erlauben, in den nächsten Tagen nur das zu tun, was mir guttut. Inmitten all dem stillen Chaos, das mich umgibt, werde ich versuchen auf leisen Sohlen auf diesen einen Tag zuzugehen. In der Hoffnung mich dann daran zu erinnern, wie es sich anfühlt, wenn ein Engel sanft die Erde berührt. Traurig und doch voller Liebe werde ich sein Grab besuchen und ihm alles Gute wünschen.

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